Arbeitgeber müssen bei der Anhörung im Vorfeld einer Verdachtskündigung nicht ausdrücklich klarstellen, dass sie den Arbeitnehmer verdächtigen
BAG, Urteil vom 25.04.2018, 2 AZR 611/17
Arbeitgeber sind bei der Anhörung des Arbeitnehmers nicht verpflichtet, das Thema des Gesprächs vorab mitzuteilen. Dies gilt ebenfalls bei der Anhörung eines Auszubildenden.
Der Fall:
Die Klägerin, langjährige Sparkassenangestellte (Kassiererin), bestellte am 27.05.2015 im Namen ihres Arbeitgebers bei der Bundesbank 115.000 € Bargeld in 50-€-Scheinen. Als das Geld am Folgetag von zwei Geldboten einer Wachschutzfirma geliefert wurde, nahm die Kassiererin den mit einer Plombe versiegelten Geldbehälter in Empfang. Kurz darauf öffnete sie ihn allein und damit unter Verstoß gegen eine Dienstanweisung (Vier-Augen-Prinzip). Erst 20 Minuten später rief sie einen Kollegen herbei und teilte ihm mit, sie habe in dem Geldkoffer kein Geld, sondern Babynahrung und Waschmittel vorgefunden. Nach erstelltem Bericht der Internen Revision hörte die Beklagte die Klägerin Anfang April 2016 an. Laut Angaben der Klägerin hatte die Beklagte ihr nicht klar gesagt, dass man sie der Unterschlagung von 115.000 € verdächtigte. Nach Anhörung des Personalrats kündigte die Beklagte außerordentlich fristlos sowie hilfsweise mit einer Auslauffrist zum 31.12.2016.
Die Entscheidung:
Bei der Anhörung vor einer späteren Verdachtskündigung muss der Arbeitgeber weder bereits einen (dringenden) Verdacht gegen den Arbeitnehmer hegen, noch dem Arbeitnehmer einen solchen Verdacht im Rahmen der Anhörung ausdrücklich mitteilen. Für eine korrekte Anhörung kommt es laut BAG allein darauf an, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, welchen Sachverhalt der Arbeitgeber aufklären möchte, dass der Arbeitgeber jedenfalls auch eine Verantwortung des Arbeitnehmers in Betracht zieht und dass er dem Arbeitnehmer Gelegenheit geben will, zu den aufklärungsbedürftigen Geschehnissen und Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen. Ob der Arbeitgeber solche Aufklärungsabsichten verfolgt und welche genau, und ob er (auch) den Arbeitnehmer in Verdacht hat, muss nicht ausdrücklich gesagt werden, sondern kann sich aus den Umständen der Anhörung ergeben.