Annahmeverzugslohn und Urlaubsanspruch bei Verweigerung der Corona-Impfung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.06.2024, Az. 5 AZR 167/23

Stellt ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer von der Erbringung der Arbeitsleistung frei, der während der Geltungsdauer des vormals geltenden § 20a Infektionsschutzgesetz alte Fassung die in § 20 a Absatz 1 aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllte, darf der Arbeitgeber die Zeiten dieser unbezahlten Freistellung berücksichtigen, wenn er den Jahresurlaub berechnet. Dies hat zur Konsequenz, dass dem betroffenen Arbeitnehmer der Urlaubsanspruch nur anteilig gekürzt zu.

Geklagt hatte eine Frau, die in einem Seniorenwohnheim als Alltagsbegleiterin beschäftigt war. Sie hatte sich geweigert, sich gegen das Coronavirus zu impfen, und besaß auch keinen Immunitätsnachweis. Die Beklagte hatte die Klägerin unter Verweis auf die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes freigestellt, bis die nach dem Gesetz geforderten Nachweise vorliegen. Die Klägerin erhielt für einen Zeitraum von fünf Monaten keine Vergütung von der Beklagten, die zudem die Auffassung vertreten hatte, den Urlaubsanspruch der Klägerin für jeden vollen Monat der Freistellung anteilig kürzen zu dürfen. Die Klägerin machte ihre Vergütung für die fünf Monate unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs und für einen Teil des Zeitraums in Form von Entgeltfortzahlung wegen Krankheit geltend. Zudem hat sie die Feststellung beantragt, dass ihr für das betreffende Jahr weitere 13 Urlaubstage zustehen.

Nachdem sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen hatten, hat das Bundesarbeitsgericht der Klägerin nur in einem sehr geringen Umfang recht gegeben.  Der geltend gemachte Anspruch auf Annahmeverzugslohn oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall stehe der Klägerin nicht zu. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf die geltend gemachten Urlaubstage. Dies wurde wie folgt gerechtfertigt: Die Freistellung durch die Beklagte aufgrund der Nichterfüllung der gesetzlichen Anforderungen des Infektionsschutzgesetzes führe zu einer unterjährigen Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Die nicht geleisteten Arbeitstage, die aufgrund dieser Freistellung entstanden seien, könnten weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht mit Zeiten mit einer Arbeitspflicht gleichgestellt werden. Die Entscheidung, dass die Klägerin nicht gearbeitet habe, habe hier nicht auf einer freien Entscheidung des Arbeitgebers beruht, denn die Beklagte habe zum einen lediglich die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes umgesetzt, zum anderen wäre es der Klägerin möglich gewesen, ihre Tätigkeit nach Vorlage der vom Infektionsschutzgesetz vorgesehenen Nachweise wieder aufzunehmen. Lediglich ein halber Arbeitstag als Urlaubsanspruch wurde vom Bundesarbeitsgericht bejaht, da eine unzulässige Aufrundung durch die Beklagte erfolgt sei.